Symbolkanone

Viele Jahre lebte ich mit Schakti, meinem Mischlingshund. Und so sehr ich diesen Hund geliebt habe, muss ich doch eingestehen: Schakti war ein bisschen doof. Zeigte man zum Beispiel mit dem Finger auf etwas, blickte er nicht in die gezeigte Richtung, sondern starrte fasziniert den Finger an.

Schakti konnte auch nicht fernsehen – was heißt schon „konnte nicht”? Er wollte dem Fernsehen einfach nicht mehr abgewinnen, als einen teilverglasten Kasten mit bewegten bunten Punkten mit Geräuschabsonderungen wahrzunehmen. Der Hund der Eltern meiner Freundin war abstrakter begabt: Immer wenn ein Tier auf dem Bildschirm gezeigt wurde, egal, wie verzerrt, ausschnitthaft und aus welcher hundefremden Perspektive, fing er aufgeregt zu bellen an.

Manchmal muss ich mich wundern. Soviel Zeit verbringe ich vor der Glotze oder vor dem Rechnermonitor und lasse mich genussvoll mit bunten Punkten beschießen. Manchmal glaube ich sogar, dass ich bei diesem Tun einen Einblick in die ferne Welt erhalte.

Dabei ist der Monitor doch nichts anderes als eine Symbolkanone und die aus dem Bildbeschuss gewonnene Information hat mit der Realität nichts oder nur sehr wenig zu tun. Denn das ist eben das Wesen von Symbolen: Das Gezeigte ist nicht die Wirklichkeit, das Symbol verweist auf Wirklichkeit – es bleibt also jede Menge Spielraum für vorgegebene und eigene Interpretationen.

Dass auch vermeintliche Abbilder der Wirklichkeit nur Sinnbilder sind, entgleitet mir beim Fernsehen und erst recht beim Surfen im Netz oft aus dem Bewusstsein. Hier liegt die Ursache für manche stark verzerrte Realitätswahrnehmung.

Und das macht Fernsehen so gefährlich: Man sitzt gemütlich im Warmen, mit Knabbergebäck und mit Getränken von allem körperlichen Unwohlsein befreit, und schaut vom Sessel hinaus „in die Welt“. Dann werden auch Darstellungen wirklicher Katastrophen, realer Kriege und von tatsächlichem Elend durch den Filter der Sorg- und Gefahrlosigkeit betrachtet.

Wie anders würde man die gleichen Bilder sehen, wenn man sich beim Betrachten in einer unwirtlichen, kalten, gefährlichen Umgebung befände.

Schakti jedenfalls war frei von solchen Täuschungen und hat in der Welt nie etwas anderes gesehen als Wirklichkeit …

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