Freiheit oder Sicherheit?

Wilhelm von Humboldt prägte einst den Satz „Ohne Sicherheit ist keine Freiheit“ und betonte, dass Sicherheit die Voraussetzung für Freiheit sei. Denn ein unsicheres Leben, ein Leben in Angst sei ein unfreies Leben.

Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie diese Sicherheit hergestellt wird und was damit einhergeht. Denn jede Bewegung birgt Gefahr und jede Abwehr dieser Gefahr bedeutet auch eine Einschränkung der Bewegung selbst. Freiheit ist offenes Risiko. Sicherheit ist weniger ein objektiver Tatbestand als ein Gefühl. Wir fühlen uns sicher, weil wir keine Gefahr für unser Leben und Sein sehen. Wir fühlen uns sicher, weil uns niemand bedrängt und wir unser Leben selbständig, moralischen Werten folgend beschränken.

Gleichermaßen verhält es sich mit der Freiheit. Wir fühlen uns frei, weil wir die Grenzen der Freiheit nicht spüren oder nicht unter ihnen leiden. So viel Freiheit wie möglich und so viel Sicherheit wie nötig, so stellen wir uns den Idealzustand vor. Doch korrespondiert das subjektive Freiheitsgefühl nur bedingt mit der Wirklichkeit. Es wird suggeriert, denn wir glauben das, was uns beruhigt, gern.

Anders verhält es sich mit der Sicherheit, die unsere Freiheit einschränkt. An den Flughäfen warten wir geduldig, öffnen bereitwillig unsere Taschen, damit eine Entführung erschwert oder gar unmöglich wird. Wir murren zwar schon mal, wenn man uns die Nagelschere aus dem Handgepäck nimmt, akzeptieren das aber als Opfer für die Sicherheit. Wenn man aber unsere Telefongespräche belauscht, dann werden wir hellhörig. Da geht der Eingriff in die Privatsphäre zu weit. Von den Rasterfahndungen in den siebziger Jahren, als man bundesweit auf die Suche nach Terroristen ging, ganz zu schweigen.

Sicherheit ist ein relatives Gefühl, das beständig variiert.

Wir leben hier in Deutschland, verglichen mit vielen anderen Ländern dieser Welt, extrem sicher und frei. Und doch hängt unser Sicherheitsgefühl von ganz unterschiedlichen Informationen ab, die wir in Erfahrungen verwandeln. Ganz leicht entsteht so eine diffuse Angst.

Diese Angst, die Sorge um die Sicherheit, führt in den USA beispielsweise zu Todesfällen. Das Waffengesetz ist ein Ergebnis dieser Sorge und für viele ein Moment der individuellen Freiheit. Eine merkwürdige und oftmals gegenstandslose Angst lässt Menschen zur Waffe greifen, lässt sie unüberlegt schießen und töten. Innerhalb der schwarzen Bevölkerung der USA, wird diese individuelle Freiheit sicher ganz anders wahrgenommen.

Wir leben also in einem öffentlichen Raum vielfältiger Gefühle – Angst, Freiheit und Sicherheit – die manipulierbar sind. Darin liegt die große Gefahr. Wir merken oft nicht, warum plötzlich eine Angst entsteht, eine Angst, die geschürt werden kann. Mit dem erklärten Ziel, die Sicherheit zu erhöhen, wird die Freiheit eingeschränkt.

In Erinnerung an Humboldts Satz vom Zusammenhang von Sicherheit und Freiheit bleibt das Gefühl, das beide nicht miteinander sondern nur gegeneinander zu steigern sind.