Zugegeben: Fotos sind eine feine Sache, wie Bilder im Ganzen meist informativ, witzig, lehrreich oder faszinierend sind. Doch da fast jeder Erdenbürger heute ein Handy besitzt und fast alle Handys eine Kamera haben, sind Bilder inzwischen zur beliebigen, inflationären Massenware verkommen.
Bedauerlich ist das auch ganz persönlich, denn hat man sich einmal die Mühe gemacht, tausende Bilder von jedem noch so geringen Anlass zu schießen, muss man schließlich feststellen, dass niemand sie betrachten will. Doch Bilder sind nur dann zu etwas nütze, wenn sie auch gesehen werden – das Bild ohne Betrachter fristet eine äußerst fragwürdige Existenz. Wohin also mit der anschwellenden Bilderflut?
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Akzeptanz von Facebook und anderen Social-Media-Plattformen war ganz bestimmt, dass man die eigenen Fotos dort ohne Mühe hochladen und sich anschließend der Hoffnung hingeben kann, dass sie automatisch und von ganz allein interessierte oder zufällige Betrachter finden werden.
Hippe Netz-Neuheiten wie Snapchat gehen allerdings einen konsequenten Schritt weiter und bieten einen Weg, der den Umgang mit Fotos zusätzlich ressourcenschonend macht: das Bild wird hier upgeloaded und im Freundeskreis versendet – und nach dem Anschauen automatisch und endgültig gelöscht.
Dabei wird Platz gespart (auch der virtuelle Raum ist endlich) und direkt ein zweites elementares Problem gelöst: Auch dem ungeübten Augenmenschen bleibt nicht lang verborgen, dass er Tag für Tag die gleichen Bilder produziert. Und das verdirbt den Spaß am Tun.
Also wird das Netz im allgemeinen Einverständnis zum Massengrab für Bilderwelten. Und mit den neuesten Erfindungen sind auch die Untoten und potenziellen Widergänger für immer von den Speicherplatten und aus der Wahrnehmung gelöscht.
Eines Tages warf ich – um mich vom Ballast der Vergangenheit zu befreien – sämtliche Erinnerungsfotos weg.
Das fand ich cool. Vorausblickend wollte ich damit sicherstellen, auch in seniler Rückwärtsgewandtheit weiter vorwärts im „hier und jetzt” zu leben.
Mittlerweile erlebe ich, dass sich meine persönliche Ichwahrnehmung (beim klassischen Blick in den Spiegel) gegenüber früheren Zeiten kaum verändert hat. Obwohl ich mir bewusst bin, dass jede Körperzelle im Laufe der Jahre mehrfach ausgetauscht wurde und „ich” bestenfalls der gleiche, doch nicht mehr derselbe bin.
Nun finde ich es schade, dass ich keine „objektive” Möglichkeit habe, den der ich früher einmal war mit dem zu vergleichen, der ich heute bin.