Orientierungen

5:47 – 6:54 _ Dienstag

25. Februar 2014 · 1 Jahr 50, Jahrbuch für Freidenker; Robert Smajgert

Zwar wird im kritischen Diskurs oft darauf hingewiesen, welche großen bis unüberwindlichen Hindernisse mit der Annahme von Freiheitskonzepten verbunden erscheinen, doch machen wir uns deutlich bewusst, dass eine Deligierung unserer Wahlentscheidungen auf für uns uneinsehbare oder unbeeinflussbare Kräfte und Dispositionen nicht wirklich eine viel bessere Ausgangslage für unser menschliches Selbstbild und die Optionen eines zwischenmenschlichen Zusammenlebens bietet.

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Wenn wir zudem die zwanghaften Wirkmechanismen in unserer Natur zu einer radikalen Verneinung jeglicher metaphysischen Einflussfaktoren addieren, schrumpft sich der selbstverordnete, menschliche Handlungsrahmen auf ein gefährliches, irdisches Maß.

Sobald der Mensch sich als Gefangener und nicht als Schöpfer oder Mitgestalter der Natur erfährt, `remutiert´ seine ansonsten in eine kosmische Gesetzgebung eingefasste sozial-ethische Verantwortung in einen physikalisch-individuellen Überlebenskampf um die Ressourcen dieser materielle gedeuteten Welt.

Was auf den ersten Blick in Bezug auf unsere biologischen Entwicklungsannahmen in seiner intellektuellen Folgerichtigkeit als vernünftig und konsequent anmutet, kann auf den zweiten Blick aber die Fahrkarte zur kollektiven Hölle sein.

Da helfen auch keine Appelle an eine unbedingte Vernunftethik. Machen wir uns nichts vor, wenn der Mensch seine in den vergangenen Jahrtausenden herausgebildeten, auf Transzendenz des weltlichen Lebens ausgerichteten Handlungs- und Tugendbande kappt, wird es sehr viel schwerer, den menschlichen Egoismus und damit verbundene Grausamkeiten zu bändigen.

So unterschlägt unsere Zeit womöglich nicht nur die Ethik, sondern vielleicht sogar die Wahrheit, in dem sie auf einem Realitätsverständnis beharrt, das Möglichkeiten und Ideen als wirksame und reale Weltgestalter ausschließt. Die Wissenschaft läuft Gefahr, zum Raub der Orientierungen zum Besseren zu werden, selbst wenn sie sich gerne als eine solche versteht. Jedes Verharren einer wissenschaftlichen Wirklichkeitsbeschreibung in beobachtender Methode muss als solche wahrgenommen und darf eben nicht als Wahrheit und Erkenntnis identifiziert und mit ihnen verwechselt werden.

In dieser Hinsicht ist Wissenschaft heute alles andere als Orientierung und nur der halbe Weg zum erwünschten Ziel.