6:54 – 7:58 _ Mittwoch
23. April 2014 · 1 Jahr 50, Jahrbuch für Freidenker; Robert Smajgert
Funktionalisierte Gemeinschaftsformen tragen dominant zur Herausbildung der Selbstwahrnehmung des Einzelnen bei und bestimmen sie in einigen Segmenten sogar komplett.
So wie Kinder in ihrer Entwicklungszeit voll und ganz auf sozialen Input in Form zwischenmenschlicher Begegnung und Interaktion angewiesen sind, um geistig, sittlich, aber auch motorisch in Hinblick auf kausales Ordnen und Anwenden – gemäß unseren Vorstellungserwartungen – zu reifen, benötigt jedes Menschsein Gruppenimpulse, um sich überhaupt bilden zu können. So ist der Mensch in zentralen Teilen ein Gemeinschaftswesen, wobei sich vor allem dessen kognitives Selbstbild und Weltverstehen in seinen kollektiven Kommunikationsmöglichkeiten formt und ausgestaltet.
Aufgrund räumlicher WohnDichte und erhöhter InteraktionsSchlagzahl werden Städte somit zwangsläufig zu HotSpots von Idealen und Identität.
Dabei schafft jede Verstädterung einen konzentrierten Wettbewerbsdruck unter ihren Individuen um die immer begrenzten Ressourcen des Lebens – sowohl materieller wie geistiger Art.
Spielfeld dieser Verteilungskämpfe, die nicht in andauernder offener Zerstörung geschehen dürfen, weil sie sonst alle Grundlagen des sozialen Beisammenseins rauben würden, werden dabei der Grad der Verhaltensanpassung bei gleichzeitiger Ausbildung überdurchschnittlicher, eigener Talente, die von der Gruppe früher oder später, mehr oder weniger – in Abhängigkeit zu ihrem vermeintlichen Nutzgehalt für alle oder die Mächtigen einer Gesellschaft – Anerkennung oder sogar Auszeichnung erfahren.
Stadtgesellschaft ist in diesem Sinne grundsätzlich Wettbewerbsgesellschaft um Machtanteile und darin in besonderem Maße Wirkungsraum emotionaler Strukturen, die das normierte Schlechtere – in unterschiedlichsten Verdrängungserscheinung auftretend – akzeptieren, um das normierte, so definierte Bessere – das selten mehr ist als Unterhaltungs- und Konsumwohlstand – zu erreichen bzw. erhalten.

Was vom Standpunkt einer allgemeinen LustNotklugheit gerechtfertigt erscheint – die sich daran genügt, ihr Leben mit Gegebenem zuzubringen statt es nach dem wirklich Notwendigen zu gestalten, wird aus dem Blickwinkel der Freiheit problematisch, denn der Geist der Stadt fordert die persönliche Entfremdung als Pfand der Gemeinschaft sowie Absage oder Einschränkung der eigenen Wahrheit.