6:52 – 7:58 _ Donnerstag
14. Februar 2014 · 1 Jahr 50, Jahrbuch für Freidenker; Robert Smajgert
Denken ist inneres Sprechen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nicht selten steht das Denken für das Geistige schlechthin, doch das ist falsch und vor allem grundlegend irreführend, denn es stellt in erster Linie ein körperliches Merkmal dar, das durch den Hörsinn angeregt wird.
Gegründet auf einem signifikanten Gebrauch von Lauten in Gruppen entwickelten sich im Laufe der menschlichen Evolution spezifische, kognitive Objektivierungsfunktionen gegenüber den Wahrnehmungsgegenständen der Außenwelt – zu der auch die Empfindung des eigenen Körpers gehören kann – durch Begriffsbildung.
Die eigentliche Dimension des inneren Dialogs und der Gesprächsführung mit sich selbst – die wir so gerne als inneres, denkendes Ich verstehen möchten – wird wohl insbesondere durch die kontinuierliche Einübung von Schrift und die Ausbildung des Lesevermögens gefördert, wodurch der Sprachakt sich durch körperliche Handlung reflexiv im geistigen Wahrnehmungshorizont als zentraler Bedeutungsträger von Objektbildungen positioniert.
Dieser Prozess ist noch heute für einen aufmerksamen Beobachter in der Entwicklung unserer Kinder sehr deutlich nachzuvollziehen, findet aber auch ständig in uns selber als fortlaufende, lebendige Formierung unserer Vorstellungswelten durch die genutzten Denkmittel statt, auch wenn wir eine solche Selbstkonstitution kaum bewusst greifen können, da meist weder Anlass dazu besteht, noch das Denken selber – ohne ein Verständnis des Fühlenspektrums, dass unser Dasein darstellt und in dem es sich aufhält – dazu in der Lage wäre, sich zu durchleuchten.
Die relevanten Bausteine unserer Denkstrukturen, auf denen die Herausbildungen unseres aktuellen Denkvermögens beruhen, sind kulturgeschichtlich betrachtet recht jung und reichen anscheinend nicht über die Anfänge der Schrift, wahrscheinlich ab -4000, zurück.
Natürlich löst eine solche, ernst und absolut gemeinte Auffassung tiefste Sinnkrisen aus, beschädigt sie doch auf dramatische Weise nicht nur unser subjektives Selbstverständnis, sondern in Hinblick auf eine optimierte Realitätswahrnehmung – die Wahrheit sucht, um das Beste zu leben – vor allem auch die Organisation unserer körperlichen-geistigen Settings.
Denken ist ja nicht etwas beliebig aufgepfropftes und von heute auf morgen gekeimtes, einfach so wieder herausrupfbares Körperphänomen, sondern nimmt eine wichtige Funktion in unserem Organismus ein, in dem es Abläufe koordinieren hilft und ReizReaktionsVerschaltungen beeinflusst.
Trotz aller Ökonomie für unseren Lebensentwurf ist Denken aber ein nachrangiges Ordnungsmittel der sinnlichen Erfahrung und deshalb schon so wenig für eine umfassende Welterkenntnis geeignet, wie die Nase.