Gott

5:19 – 6:37 _ Montag

24. Februar 2014 · 1 Jahr 50, Jahrbuch für Freidenker; Robert Smajgert

Bei einem Blick auf die umfassende Wirkkraft religiösen Glaubens, fällt es schwer darauf zu beharren, die menschlichen Vorstellungsgehalte über das Göttliche allein als entwicklungsgeschichtliche, psychologische Ausrutscher zu betrachten, und damit die glaubende Menschheit – und einen Großteil ihrer Historie – kollektiv der Dummheit oder Unfähigkeit zu bezichtigen.

LLiegt es nicht näher, die Religion, zusammen mit der Mystik und der Philosophie, aber auch mit der Wissenschaft, als eine spezifische kultur-evolutionäre Errungenschaft aus kognitivem Entwicklungsstand und sozialen Gegebenheiten zu deuten? Angeregt durch eine zunehmende Bildung von signifikaten Lautzeichen im sozialen Verband, gestaltet sich – in der Homo Sapiens Linie – in der geistigen Struktur der körperlichen Erscheinung ein zunehmender innerer Sprechmodus, den wir Denken nennen.

Diese Entwicklungszug könnte – auf der Grundlage archäologischer Fundstellendeutungen datiert – vor etwa 200.000 Jahren begonnen, sich vor 40.000 Jahren zugespitzt und gegen -4.000, eingebettet in die Schriftentwicklung, langsam die gegenwärtige Richtung angenommen haben.

Religion, Mystik, Philosophie und Wissenschaft sind dabei Sprosse einer gleichen Triebkraft, die dem Menschen bei der Bildung des besseren Lebens durch mentale Mittel behilflich ist. Das Göttliche und Gott, genau so wie Wahrheit, Erkenntnis und Wissen sind – als in Sprache erwachsene Ideen – Zustandsanzeiger eigener Handlungszielsetzung und darin Ausdruck von Selbstvergottung und Machtaneignung.

Die an diesen Ideen hervortretenden Diskrepanzen zwischen ideellem Anspruch und vorfindbarer Realität sollten nicht als klarer Beweis ihrer Illusionshaftigkeit verstanden, sondern eher als Maßstab und Kennzeichnung des zu Überwindenden gedeutet werden.

Das Göttliche zeigt sich demnach als Marschrichtung menschlichen Strebens und das monotheistische Gottesbild als besondere Spielart dieses Entwicklungsweges hin zu einer besseren Existenz über Personbildung und persönliche Verantwortung.

Die Idee dahinter ist, dass wir alle – als Einzelne – Gott sind, und damit in der Lage, Leben und Umwelt zu gestalten, Formen unserer Wahl zu schaffen und die Beste aller möglichen Existenzen zu führen. Keine wirklich schlechte Orientierung!