#1_«H6llo, ich bin’s !»

Vom Sinn und Unsinn des Handys
im Allgemeinen und vom schlechten Benehmen im Speziellen

Vorneweg: Ich bin kein Handy-Freund, auch wenn ich eins besitze. Weil jedoch fast kein Mensch die Nummer kennt, klingelt es extrem selten. Also fast gar nicht.

Ich benutze mein Handy im Wesentlichen als Taschenuhr. Oder wenn ich am Essener Bahnhof stehe und meiner Liebsten in Wuppertal kurz mitteilen möchte, dass ich nicht pünktlich sein werde: Weil die S9 später kommt oder nur bis Vohwinkel fährt oder heute mal komplett ausfällt. Da ist so ein Handy wirklich total praktisch.

Meine Skepsis gegenüber Handys beginnt schon beim Begriff: Zum einen kommt „Handy“ so englisch daher, obwohl es gar nicht englisch ist. Zum anderen handelt es sich um ein Wort, das mir – abgeleitet von „Hand(oder engl. „hand“?) nahe legt: Dies ist ein Ding, das du in die Hand nehmen kannst. Aah ja.

Mein Festnetztelefon kann ich allerdings auch in die Hand nehmen – ist aber kein Handy. Da trifft’s das echte Englisch besser, das mit dem Wort „Mobile“ die räumliche Beweglichkeit des Gerätes herausstellt. Oder das türkische „cep telefonu“, das allen Türkisch-Verstehenden sagt: Dies ist ein Telefon, das du in die Tasche stecken kannst. Auch gut.

Aber: Wir haben’s erfunden!

Während ich aus sprachlichen Gründen das Wort „Handy“ im Sinne von „Hand-Telefon“ nach wie vor kritisiere, bin ich hinsichtlich des anglizistischen Aspektes manchmal nicht mehr meiner Meinung. Klar ist: Vermeidbare Anglizismen mag ich ebenso wenig wie Handys. Aber: Wie oben bereits erwähnt ist „Handy“ überhaupt kein Anglizismus.

Wir Deutschen (nein, nicht die Schweizer!) haben es erfunden, ein englisches Wort, das Engländer und Amerikaner noch gar nicht kannten.

Das ist eine kreative Leistung, die Anerkennung verdient. Und auch bekommt, zumal amerikanische Wörterbücher das Wort „handy“ mittlerweile auch als Substantiv mit seiner deutschen Bedeutung aufgenommen haben. Da haben wir den Amerikanern also so richtig einen reingedenglischt. Das hat was.

Vom Handy zum Schmerzphone

Aber eigentlich hat sich das Hadern mit „Handy“ schon fast erledigt, weil Handys heute Smartphones heißen. Man beachte dabei:
smart“ bedeutet nicht nur „intelligent“ oder „gewitzt“, sondern ist auch Synonym für „gerissen“, „trickreich“, „schlitzorig“, „ausgekocht“, „durchtrieben“ und „geschäftstüchtig“.

Auch wenn sich „smart“ zunächst ganz hübsch anhört: Das Wort bezeichnet Menschen, die in erster Linie auf ihren Vorteil bedacht sind und dies hinter einer eleganten, freundlichen Fassade gut zu verbergen wissen. Also so was wie Makler oder Finanzberater, die einem vor kurzer Zeit noch Schiffsbeteiligungen verkaufen wollten. Richtig. Ich besitze kein Smartphone.

Als Substantiv bedeutetsmart“ übrigens „Schmerz“. Und damit nähern wir uns dem eigentlichen Kern der Sache. Kein Ort, den das Schmerzphone und seine Nutzer nicht verlärmen: Restaurant, Supermarkt, Theater, Konzert, Friedhof – Bus und S-Bahn sowieso. Und im privaten Bereich teile ich mir die Aufmerksamkeit vieler Gesprächspartner mit einem Samsung- oder iPhone-Flach-Vibrator, der vor ihnen auf dem Tisch liegt und in 15- bis 30-Sekunden-Abständen kontrolliert werden muss.

Es könnte ja eine neue, total wichtige WhatsApp-Message eingetroffen sein: „Guck mal, das Kätzchen in der Kloschüssel ….. Ist das nicht süß?“

Ach ja – früher

Die Handys meiner Jugend hatten ein gelbes Häuschen drumherum und hießen Telefonzellen. Da warf man 20 Pfennige rein und konnte von unterwegs aus telefonieren. Sofern man eine fand. Ich will nichts schönreden. Manche Zeitgenossen erkannten nicht, dass in diesen gelben Häuschen ein Telefonapparat hing und ein Urinal definitiv nicht hing. Und nutzten es trotzdem als öffentliche Toilette, was geruchstechnisch zu bemerken war. Zugegeben, dies und die begrenzte Verfügbarkeit waren Nachteile.

Doch besagte Telefonzellen hatten gegenüber heutigen mobilen Endgeräten auch allerlei Vorteile: Man konnte im Alltag noch die linke Hand benutzen, wurde weder süchtig danach, noch war man von dem Druck geplagt, rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen.

Und vor allem: Telefonzellen konnte man nicht in Restaurants oder S-Bahnen mitnehmen. Kein unbeteiligter Mitfahrer musste an Familiendramen teilnehmen oder erfahren, dass der Kevin keinen hochgekriegt hat oder die Natalie nach Alkohol-Abusus in den Hausflur kotzen musste („voll krass, ey!“) oder was gestern so beim Bewährungshelfer los war.

Leider muss man nicht die NSA sein, um Handy/Smartphone-Gespräche mitzuhören. Der Aufenthalt an einem öffentlichen Ort genügt.

Telefon-Rowdys, aufgepasst!

Ich werde mich jetzt wehren. Also, liebe kommunikationsfreudige Mitmenschen, wenn ihr mich zwingt, an euren Gesprächen teilzuhaben: Ich höre mit! Und nicht nur das.

Wenn’s mir Spaß macht, schreibe ich alles auf und ihr könnt den ganzen Müll hier am nächsten Tag unter der Überschrift «H6llo, ich bin’s !» nachlesen: Inklusive aller mitgehörten Adressen, Telefonnummern oder Namen von Arbeitgebern, Partnern, Ex-Partnern, Tanten, Omas oder Bewährungshelfern. Versprochen. Nehmt euch in acht!


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